Mittwoch, 22. Juni 2022

Kristina Pfister ~ Ein unendlich kurzer Sommer

Inhalt:
Wo soll man eigentlich hin, wenn man vor sich selbst davonläuft? In irgendeinen Zug einsteigen und bis zur Endstation fahren? So jedenfalls landet Lale auf dem heruntergekommenen Campingplatz an diesem See, der fast zu schön ist. Sie hilft dem alten, grantigen Besitzer Gustav beim Renovieren der maroden Bäder, füttert die flauschigen Kaninchen, trägt jeden Tag die gleiche, alte Latzhose und schweigt.
Bis Christophe diese vermeintliche Ruhe durcheinanderbringt. Christophe mit den dunklen Augen, angereist vom anderen Ende der Welt, auf der Suche nach seinen Wurzeln. Christophe, der zu spüren scheint, was Lale fühlt. 
Gemeinsam erleben sie den einen Sommer, der bleibt: Flirrende Hitze, glitzerndes Wasser, gemeinsame Floßfahrten, ausgeblichenes Haar.

Das Schönste an diesem Roman ist die wundervolle, sommerliche Atmosphäre, die Kristina Pfister wirklich toll eingefangen und auf dem Papier verewigt hat. Man spürt sie von Seite eins an, in diesem Prolog, der von einem Sommertag am See erzählt, von dem wir aber noch nicht wissen wer ihn erlebt hat, was mich umso neugieriger auf die Geschichte gemacht hat. 

Nach dem Prolog tauchen wir in die Hauptgeschichte ein und lernen nacheinander die beiden Hauptfiguren kennen, Lale und Christophe. Beide sind aus ganz verschiedenen Gründen auf dem Campingplatz mitten im Nirgendwo gelandet, Lale versteckt sich vor etwas, Christophe ist auf der Suche. Einer der beiden ist durch Zufall auf Gustavs marodem Campingplatz gelandet, der oder die andere mit einem festen Vorhaben.

Zuerst trifft Lale auf dem Campingplatz ein und es gelingt ihr überraschend schnell, den sturen Gustav um den Finger zu wickeln. Im Gegenzug für Hilfe auf dem Platz kann sie in einen verlassenen Wohnwagen einziehen. Christophe hingegen wird es nicht so einfach gemacht, Gustav setzt ihn erst einmal wieder vor die Tür (bzw. lässt ihn gar nicht rein), weshalb er bei der unfreiwillig amüsanten Nachbarsfamilie unterkommt. Zu dem Zeitpunkt ist es in diesem kleinen Ort mitten im Nirgendwo noch sehr ruhig, der Campingplatz leer. Aber als jemand zufällig auf eine Grube voller ganz bestimmt original aus der Steinzeit stammenden Gegenständen stößt, beginnt der Trubel auf dem Campingplatz und Chris, der eigentlich schon wieder abreisen wollte, bleibt doch - und diesmal lässt Gustav ihn.

Beim Renovieren kommen Chris und Lale sich näher und da Kristina Pfister aus beiden Perspektiven erzählt, bekommen wir auch Einblicke in die Gefühlswelt beider Protagonisten. Was Chris betrifft, so gibt es hier einen akuten Fall von Instant Love. Ist nicht immer mein Fall, aber Chris Schwärmerei für die unnahbare Lale wurde auf jeden Fall sehr süß dargestellt. Lale hingegen lässt sich nicht so leicht in die Karten blicken, was ihre Gefühle angeht, was es Chris nicht unbedingt einfacher macht... 

Die Geschichte dieser beiden hat maßgeblich zu dem schönen Leseerlebnis beigetragen, das dieses Buch zweifellos ist. Aber es besteht aus sehr viel mehr - vielschichtige Charaktere, Geheimnisse und rohe, echte Emotionen. Kristina Pfister hat einen Schreibstil, mit dem sie es schafft, mich als Leserin mit wenigen Sätzen direkt ins Herz zu treffen. Einiges schreibt sie deutlich - oder lässt es ihre Charaktere sagen -, anderes schwingt nachdrücklich, aber dennoch unausgesprochen zwischen den Zeilen mit. Und ihr subtiler Sarkasmus, der hats mir auch sehr angetan!

"Sie alle vergaßen, welcher Wochentag es war, und keine ihrer Uhren ging richtig, wie Lale irgendwann feststellte. Sie waren irgendwie aus der Zeit gefallen, dachte Chris, und jeder Tag fühlte sich an wie ein ganzer Sommer."

"Ein unendlich kurzer Sommer" ist auf eine gewisse Art sehr gegensätzlich: auf der einen Seite ist es leicht, sommerlich und verbreitet gute Laune. Aber auf der anderen Seite, quasi unter der Wasseroberfläche, ist es auch unglaublich intensiv und emotional. Kristina Pfister hat es auf jeden Fall geschafft, dass ich mitfiebere, mitleide und mich dann aber auch wieder mit ihnen freue. Ein sommerliches Lesevergnügen, in das ich mich, zusammen mit den Charakteren, ein wenig verliebt habe und das ich euch sehr ans Herz legen kann! ❤

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